23.07.2020
Getreideernte in vollem Gange
Getreideernte in vollem Gange
Große regionale Unterschiede bei den Getreideerträgen
Die Landwirte Helmut Steffan, Martin Billau, Dr. Willi Billau und Präsident Karsten Schmal im Weizenfeld
Foto: hbv
„In diesem Jahr sind die
regionalen Unterschiede bei den Getreideerträgen besonders groß. Das gilt vor
allem für die Wintergerste, deren Erträge zwischen 30 und 90 Dezitonnen je
Hektar schwanken. Wesentliche Gründe sind die Frostschäden und die ausgeprägte
Frühjahrstrockenheit, ungleich über das Land verteilte Niederschläge und Standorte,
die sich maßgeblich in der Wasserverfügbarkeit ihrer Böden unterscheiden. Nach
den bislang vorliegenden Ergebnissen rechnen wir in Hessen beim Getreide mit
einer leicht unterdurchschnittlichen Gesamterntemenge von etwas mehr als zwei
Millionen Tonnen.“ Das betonte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes,
Karsten Schmal, im Rahmen eines Pressegespräches auf dem landwirtschaftlichen
Betrieb von Dr. Willi Billau am Donnerstag (23. Juli) in Lampertheim.
Das sonnige und trockene
Wetter der letzten Tage habe die Abreife des Winterweizens, der mit Abstand
wichtigsten Getreideart in Hessen, beschleunigt und dazu geführt, dass die Landwirte
in den meisten hessischen Anbaugebieten mit der Ernte des Weizens begonnen
hätten. Die derzeitigen Witterungsbedingungen mit viel Sonnenschein und Wärme
seien für einen störungsfreien Mähdrusch ideal. Im Hessischen Ried sei die
Weizenernte aufgrund der dort vorherrschenden extremen Trockenheit weitgehend
abgeschlossen. Die bisher erfassten Erträge bewegten sich zwischen 65 und 90
Dezitonnen je Hektar insgesamt auf durchschnittlichem Niveau.
Damit fehlten den Pflanzen in dieser so wichtigen Wachstumsperiode
80 Millimeter Niederschlag, was 80 Litern pro Quadratmeter entspricht. Im Hessischen Ried war das Niederschlagsdefizit noch größer“, erläuterte Schmal.
Die langanhaltende
Frühjahrstrockenheit von Mitte März bis Ende April habe das Wachstum aller
landwirtschaftlichen Kulturpflanzen im dritten Jahr in Folge beeinträchtigt.
„Während im langjährigen Mittel in Hessen in den Monaten März bis Mai
durchschnittlich 190 Millimeter Niederschlag fallen, waren es in diesem
Frühjahr gerade mal 110 Millimeter.
Damit fehlten den Pflanzen in dieser so wichtigen Wachstumsperiode
80 Millimeter Niederschlag, was 80 Litern pro Quadratmeter entspricht. Im Hessischen Ried war das Niederschlagsdefizit noch größer“, erläuterte Schmal.
Schmal zeigte sich erfreut
darüber, dass der Winterrapsanbau im Vergleich zum Vorjahr von 27.500 Hektar
auf schätzungsweise rund 40.000 Hektar in diesem Jahr zugenommen hat. In der
ersten Hälfte des zurückliegenden Jahrzehnts lag die Winterrapsanbaufläche in
Hessen meist über 60.000 Hektar. Ungünstige Witterungsbedingungen, das Verbot
wirksamer Pflanzenschutzmittel und gesunkene Erzeugerpreise haben zu dem
gravierenden Anbaurückgang geführt.
Auch beim Winterraps gehen die
Erträge weit auseinander. Sie bewegen sich im Bereich von 30 bis 50 Dezitonnen
je Hektar. Aufgrund der eher ungünstigen Wachstumsbedingungen sind manche
Landwirte von den bisherigen Ernteergebnissen positiv überrascht.
„Der Raps hat viele
pflanzenbauliche Vorteile, liefert guten Bienenhonig, hochwertiges
Rapsspeiseöl, Biodiesel und ein eiweißreiches heimisches Tierfutter, das
Sojaschrotimporte ersetzt. Nicht zu vergessen ist sein Beitrag zum
Klimaschutz“, hob Schmal hervor. Wenn fossiler Dieselkraftstoff durch Biodiesel
ersetzt werde, könnten erhebliche Mengen des Treibhausgases CO2
vermieden werden. Die Treibhausgaseinsparungen von Biodiesel gegenüber fossilem
Dieselkraftstoff lägen bei etwa 83 Prozent. Leider würden die CO2-Einsparpotentiale
der Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft. Allein durch die Erhöhung der
Beimischungsquote von Biodiesel von derzeit sechs Prozent, könnte Deutschland
wesentlich mehr für den Klimaschutz tun. In diesem Zusammenhang sei auch die
deutsche EU-Ratspräsidentschaft gefordert, bessere Rahmenbedingungen für den
Einsatz von Biokraftstoffen im Verkehrssektor zu schaffen.
Präsident Schmal äußerte
seinen Unmut über die Untätigkeit des hessischen Landwirtschaftsministeriums,
gegen eine Wölfin, die nachweislich in Nordhessen bislang 22 Weidetiere
gerissen habe, konsequent vorzugehen und das Raubtier zu töten, um weiteres
Leid bei Weidetieren und deren Haltern abzuwenden.
In Bezug auf die zu begrüßende
Forderung nach regionalen Schlachthöfen sagte der Bauernpräsident: „Was nützt
uns der beste regionale Schlachthof, wenn aufgrund einer verfehlten
Agrarpolitik Schweine fehlen, um diesen auszulasten und die meisten Verbraucher
auch nicht bereit sind, für in der Region erzeugte Fleisch- und Wurstwaren
deutlich höhere Preise zu zahlen.“
Schmal wies darauf hin, dass
sich die Bauern den zunehmenden Herausforderungen im Tierschutz,
Gewässerschutz, der Artenvielfalt und dem Klimaschutz stellen. Allerdings
müssten die damit verbundenen gesetzlichen Vorgaben für die Betriebe
praktikabel und ökonomisch tragfähig sein. Er betonte ausdrücklich, dass der
gezielte Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und einer an den Bodenvorräten und dem
Pflanzenbedarf orientierte Düngung notwendig seien, um die von den Verbrauchern
gewünschten Qualitäten zu erzeugen.
„Wenn unsere Landwirte mit
immer mehr Auflagen und Reglementierungen drangsaliert werden, dürfen wir uns
in Deutschland nicht wundern, dass die Betriebe das Handtuch werfen. Dann
müssen wir vermehrt Lebensmittel, die unter wesentlich niedrigeren Standards
erzeugt werden, importieren. Daran kann niemand ein Interesse haben“, warnte
Karsten Schmal, der auch als Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes
bundesweit Verantwortung trägt.
Mit dem Hinweis „Südhessen ist
das Kalifornien von Hessen“ und die dortigen guten Wachstumsbedingungen,
stellte der Vorsitzende des
Regionalbauern-verbandes Starkenburg, Dr. Willi Billau, die Vielfalt der
Landwirtschaft in seinem Verbandsgebiet vor.
Nach seinen Angaben bewirtschaften
die Landwirte in Starkenburg noch rund 60.000 Hektar Ackerland (28 Prozent der
Fläche) und 30.000 Hektar Grünland (14 Prozent). Hinzu kommen 120.000 Hektar
Wald (43 Prozent der Fläche). Besorgniserregend ist das rasante Wachstum der
Siedlungs- und Verkehrsfläche, die derzeit einen Anteil von rund 15 Prozent
einnimmt. „Bei einem Umfang des aktuellen Flächenverbrauchs von zwei Hektar pro
Tag in Südhessen gibt es in 85 Jahren rein rechnerisch keinen Acker mehr in
Starkenburg“, stellte Dr. Billau mit großer Sorge fest. Das könne und dürfe
nicht sein. „Politiker versprechen uns, in Zukunft Flächen sparen zu wollen“,
so Billau. Die Rede sei von Leerstandskataster, Innenstadtsanierung, von
Null-Energie-Mehrfamilienhäusern usw. Oft tue sich jedoch nichts, denn es sei
einfacher und lukrativer, schöne, ebene Ackerflächen zu verbrauchen.
Billau
betonte, dass von 60.000 Hektar Ackerland in Südhessen etwa 30 Prozent
beregnungsfähig seien. Durch die zunehmende Trockenheit der letzten Jahre werde
der Bedarf an Beregnungswasser steigen. Er kritisierte die geplante Reduzierung
der N-Düngung in den roten Gebieten um 20 Prozent und wies unter anderem auf
die Probleme der fehlenden Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffe hin.
Der
Vorsitzende des Hessischen Braugerstenvereins, Werner Wald, brachte seine Sorge
über die künftige Entwicklung der Brauerei Pfungstadt zum Ausdruck, die wie
alle Brauereien unter dem Corona bedingten stark eingebrochenen Bierabsatz leide.
Auch Mälzereien und die Braugerstenerzeuger seien davon betroffen. Spätfröste
hätten die Blütenanlagen von Wintergerste massiv geschädigt und zu
entsprechenden Ertragseinbußen geführt. Das habe er in 52 Jahren als Praktiker
bislang noch nie erlebt.
Über nachstehende Links erreichen Sie die beiden Berichte vom 23. Juli 2020 aus der Hessenschau zur Weizenernte und Bericht von Rhein-Main TV über das Erntepressegespräch in Lampertheim.
hbv
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