31.07.2020
"Die Milchpreise steigen wieder“
"Die Milchpreise steigen wieder“
Karsten Schmal plädiert für die Entnahme eines Wolfes in Hessen
Interview mit Präsident Karsten Schmal aus der agrarzeitung vom 31. Juli 2020
Karsten
Schmal ist als Vizepräsident im Deutschen Bauernverband (DBV) für die Milch
zuständig. Als hessischer Bauernpräsident muss er zwischen den Ansprüchen der
Landwirte und der Rhein-Main-Metropole vermitteln.
agrarzeitung:
Hat der Milchmarkt die Coronakrise überwunden?
Viele
haben in der Coronakrise den Untergang des Abendlandes gesehen. Corona hatte
niemand auf dem Schirm. Nach meinen Informationen sind die Molkereien im Großen
und Ganzen je nach Vermarktungsweg und Produktpalette bislang einigermaßen gut
durch die Coronakrise gekommen. Meine Worte „Es wird keine Krise am Milchmarkt
geben“ scheinen sich zu bewahrheiten. Die Erzeugerpreise, die im bundesweiten
Durchschnitt aktuell knapp über 30 Cent je Kilogramm Milch liegen, steigen
wieder.
Wenn
wir keine zweite Coronawelle bekommen, was niemand genau vorhersagen kann, erwarte
ich für diesen Herbst eine verhalten optimistische Entwicklung auf dem
Milchmarkt, sofern der Export mit China und den Drittländern wieder anspringt.
Viele Deutsche machen hierzulande Urlaub, was einen hohen Konsum mit sich
bringt. Ich bin positiv gestimmt, wenn keine negativen äußeren Einflüsse
dazukommen.
Drücken
die Discounter mit der Mehrwertsteuerrücknahme die Milchpreise?
Ich
gehe davon aus, dass die Discounter so unter Beobachtung stehen, dass sie die
Umsatzsteuer als durchlaufenden Posten weitergeben werden.
Wird
der Corona-Ausbruch bei Tönnies zu mehr regionalen Schlachthöfen führen?
Der
Gesetzgeber hat die Hürden für die Schlachtbetriebe immer weiter erhöht. Die
damit verbundenen Kosten konnten die kleineren Unternehmen nicht schultern.
Hinzu kamen die Preisdruckpolitik im Lebensmitteleinzelhandel und dessen enorme
Marktmacht. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass sehr große und
leistungsfähige Schlachtbetriebe entstanden sind. Unsere Landwirte würden mehr
regionale Schlachthöfe begrüßen, auch wegen den damit verbundenen kurzen
Transportwegen. Die Frage ist, ob sie sich rechnen. Doch was nützt uns der
beste regionale Schlachthof, wenn aufgrund einer verfehlten Agrarpolitik
Schweine fehlen, um diesen auszulasten und die meisten Verbraucher auch nicht
bereit sind, für in der Region erzeugte Fleisch- und Wurstwaren deutlich höhere
Preise zu zahlen? Lebensmittel und Fleisch haben eine höhere Wertschöpfung
verdient.
Wie
entwickeln sich die Bestandszahlen in Hessen?
In
Hessen sind die Schweinebestände dramatisch zurückgegangen. In den vergangenen
zehn Jahren sind die Mastschweineplätze um 26 Prozent und die der Zuchtsauen
sogar um 45 Prozent gesunken. Der jetzt gefundene Kompromiss bei der
Tierschutznutztierhaltungs-Verordnung bringt zwar endlich Planungssicherheit
für unsere Sauenhalter. Der Strukturwandel wird sich dadurch aber eher noch
beschleunigen, weil vor allem kleine und mittlere Betriebe die hohen Kosten für
Stallumbauten nicht tragen können. Das bereitet mir große Sorgen.
Wie
lassen sich höhere Verbraucherpreise durchsetzen?
Da
die Mehrzahl der Verbraucher nach allen Erfahrungen nicht bereit sein wird, für
tierische Erzeugnisse höhere Preise zu zahlen, wäre eine Tierwohlabgabe eine
denkbare Option. Die Vorschläge der Borchert-Kommission sind ein guter Ansatz.
Ob sie durchsetzbar sind, wird sich zeigen.
Nun
nach Hessen: Vehement haben sich Landwirte gegen ein Wohngebiet an der A5
nördlich von Frankfurt gewehrt. Ist das Wohngebiet auf besten Böden vom Tisch?
Die
Stadt Frankfurt am Main wollte von Beginn an sowohl auf der östlichen als auch
auf der westlichen Seite der A5 großflächige Baugebiete von insgesamt rund 190
Hektar ausweisen. Nach dem derzeitigen Planungsstand sieht es danach aus, dass
zunächst nur östlich der Autobahn gebaut wird. Auch das ist ein schmerzlicher
Verlust an wertvollem Ackerland. Wie es dann weitergeht, bleibt abzuwarten.
Wenn der derzeitige Siedlungsdruck anhält, bleibt die Flächenkonkurrenz
bestehen. Damit wird auch die Versorgung mit frischen und qualitativ hochwertigen
Agrarprodukten aus der Region immer schwieriger. Das sollten die politischen
Entscheidungsträger bedenken.
Wie
können Landwirte den Schaden, den eine Wölfin in Nordhessen anrichtet, bei der
Landesregierung geltend machen?
Den
Landwirten geht es primär nicht darum, Schadensersatzforderungen geltend zu
machen. Fakt ist, dass der Aufwand, den Weidetierhalter nach den Vorstellungen
des Hessischen Landwirtschaftsministeriums betreiben müssen, um ihre Herden zu
schützen, unverhältnismäßig ist. Die vom Land gewährten Fördermittel, zum
Beispiel die in diesem Jahr auf 40 Euro je Hektar angehobene
Herdenschutzprämie, reichen bei Weitem nicht aus. Es kann doch nicht sein, dass
wir unsere Weiden mit einem enormen Arbeitsaufwand und Kosten einzäunen,
wohlwissend, dass der Wolf die Zäune meist überwindet. Der Unmut gegenüber dem
Hessischen Landwirtschaftsministerium ist sehr groß, weil es nichts unternimmt
gegen eine Wölfin, die in Nordhessen nachweislich mehr als 20 Weidetiere
gerissen hat. Meines Erachtens sind nach dem geänderten Bundesnaturschutzgesetz
die Voraussetzungen für die Entnahme dieses Problem-Wolfes erfüllt. Ich
fordere, konsequent und entschlossen vorzugehen, um weiteres Leid bei
Weidetieren und deren Haltern abzuwenden.
Interview:
Daphne Huber
BU. Karsten Schmal befürchtet anhaltende Flächenkonkurrenz in
Frankfurt am Main, wenn der Siedlungsdruck aufrechterhalten wird.
Interview/Foto: Daphne Huber
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