31.01.2022
Schönen Worten müssen jetzt Taten folgen
Schönen Worten müssen jetzt Taten folgen
Gelungener Auftakt der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen 2022 online
„Wir
sehen einen dramatischen Strukturbruch mit stark abnehmenden Betriebszahlen.
Gerade tierische Produkte, wie Schweinefleisch und Milch, werden weit unter
Kostendeckung produziert.“ Diese ernüchternde Feststellung traf Dr. Willi
Billau, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Landwirtschaftliche Woche
Südhessen und des Regionalbauernverbandes Starkenburg, in seiner Begrüßung zur Eröffnung der Landwirtschaftlichen Woche Südhessen, die wie schon
im Vorjahr erneut im Online-Format stattfand. Ausgelöst durch Corona entstünden
Situationen, die es dem Betriebsleiterehepaar unmöglich machten,
Zukunftsinvestitionen zu tätigen. Eine Verdreifachung der
Stickstoffdüngemittelpreise sowie hohe Energie- und Futtermittelkosten kämen
erschwerend hinzu. Der Mindestlohn werde um 22 Prozent auf 12 Euro je Arbeitsstunde
steigen. „Wie sollen wir die damit verbundenen Kosten weitergeben, wenn Ware
aus dem Ausland, die für Stundenlöhne von 2 bis 4,50 Euro produziert wurde,
angeboten wird“, fragte Billau. Er wiederholte seine Forderung nach einer
Spannengerechtigkeit in der Preisgestaltung zwischen Erzeuger, Verarbeiter und
Handel.
Dr.
Billau kritisierte besonders die geplante Reduzierung des Einsatzes von
Pflanzenschutzmitteln um 30 Prozent und wies darauf hin, dass bei deutschen
Lebensmitteln 2019 nur bei etwa einem Prozent der Proben
Rückstandshöchstwertüberschreitungen festgestellt wurden. Bei Lebensmitteln aus
Nicht-EU-Staaten lag die Überschreitung dagegen bei 6,5 Prozent. Der enorme
Flächenverbrauch durch Großprojekte, wie die Erweiterung der Autobahn A67 und
der Neubau der ICE-Strecke Frankfurt-Mannheim bereiten dem Vorsitzenden des
Regionalbauernverbandes Starkenburg große Sorgen. Diese beiden Projekte
verlangten alleine Ausgleichsflächen in einer Größenordnung von rund 2.000
Hektar. Bevor immer wieder neue Ackerflächen für Infrastrukturmaßnahmen in
Anspruch genommen werden, fordert der Regionalbauernverband die Beseitigung von
Leerständen, sparsamen Umgang mit landwirtschaftlich genutzten Grundstücken und
ein Ausgleich durch Waldumbau.
Schönen Worten müssen
Taten folgen
„Mit schönen
Worten und Ankündigungen alleine ist es nicht getan – jetzt müssen Taten
folgen“, das sagte der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten
Schmal, in seiner Ansprache zur heutigen Eröffnung der Landwirtschaftlichen
Woche Südhessen in Bezug auf die Ankündigungen des neuen
Bundeslandwirtschaftsministers, Cem Özdemir, die wirtschaftlichen Perspektiven
der Betriebe verbessern zu wollen und die Transformation gemeinsam mit den
Landwirten zu gestalten. Der neue Bundeslandwirtschaftsminister wolle sich an
den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft und den Vorschlägen der
Borchert-Kommission orientieren. Das sei positiv zu werten. Kritik übte Schmal
an der neuen Bundesumweltministerin Steffi Lemke, die angekündigt habe, den
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu senken, und zwar durch
finanzielle Anreize, aber auch Ordnungsrecht. „Aber was nützen uns finanzielle
Anreize, wenn Schädlinge oder Pflanzenkrankheiten überhand nehmen und dadurch
hohe Ertrags- und Qualitätsverluste auftreten“, so Schmal.
In den
Bereichen Umwelt-, Klima- und Tierschutz werde die neue Bundesregierung den
Bäuerinnen und Bauern viel abverlangen. „Bei allen Diskussionen um mehr Umwelt-
und Klimaschutz kommt mir die Ernährungssicherung viel zu kurz. Aufgrund
unserer vergleichsweise guten Produktionsbedingungen wollen wir sowohl
regionale als auch internationale Märkte mit unseren hochwertigen
Agrarprodukten versorgen“, hob Schmal hervor. Deshalb sei auch die vom
Bundeskabinett kürzlich beschlossene Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro je
Stunde ab 1. Oktober völlig inakzeptabel. Insbesondere Sonderkulturbetriebe,
die auf Saisonarbeitskräfte angewiesen seien, würden dadurch sehr belastet. Die
Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft leide generell darunter.
Immer höhere
Auflagen und Reglementierungen hätten dazu geführt, dass die Zahl der Rinder
und Schweine hierzulande in den letzten Jahren massiv gesunken sei. Das Gleiche
gelte für die Zahl der Halter. In Hessen lägen die Rückgänge im Schweinesektor
deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Diese Entwicklung sei besorgniserregend.
Explodierende Betriebsmittelpreise für zum Beispiel Stickstoffdünger, Energie
und Futtermittel, machten den Bauernfamilien das Wirtschaften schwer, auch wenn
in einigen Bereichen die Erzeugerpreise angestiegen seien. Schweinehalter
befänden sich schon seit Monaten in einer durch ruinöse Erzeugerpreise
verursachten existenziellen Krise. Viele stünden mit dem Rücken zur Wand und
wüssten nicht, wie es weitergehen solle.
Die
Vorschläge der Borchert-Kommission müssten schnell umgesetzt werden.
Unabdingbare Voraussetzung sei allerdings, dass auch die Vorschläge zur
Finanzierung mit umgesetzt würden. Ansonsten werde das Ganze nicht
funktionieren. In diesem Zusammenhang seien natürlich auch die Verarbeitungsunternehmen
und der Lebensmitteleinzelhandel und nicht zuletzt die Verbraucher gefordert.
Namhafte Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels hätten sich mittlerweile zur
5D-Regel
bekannt. Das sei ein Lichtblick. Am Ende werde es aber ganz entscheidend darauf ankommen, dass mehr Geld auf den Höfen ankommt. Das Gleiche gelte für das Vorhaben der LEH-Ketten, sukzessive auf Fleisch und Trinkmilch aus den Haltungsformstufen 3 und 4 umzustellen. Hierbei seien ange-messene Übergangsfristen notwendig. Außerdem sei eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung sehr wichtig. „Der von Gesellschaft und Politik gewünschte Umbau der Tierhaltung ist ebenso wie der Umwelt- und Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Beteiligten sind gefordert“, betonte Schmal.
bekannt. Das sei ein Lichtblick. Am Ende werde es aber ganz entscheidend darauf ankommen, dass mehr Geld auf den Höfen ankommt. Das Gleiche gelte für das Vorhaben der LEH-Ketten, sukzessive auf Fleisch und Trinkmilch aus den Haltungsformstufen 3 und 4 umzustellen. Hierbei seien ange-messene Übergangsfristen notwendig. Außerdem sei eine verpflichtende Haltungs- und Herkunftskennzeichnung sehr wichtig. „Der von Gesellschaft und Politik gewünschte Umbau der Tierhaltung ist ebenso wie der Umwelt- und Klimaschutz eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Alle Beteiligten sind gefordert“, betonte Schmal.
„Die
Strategie 2030 der deutschen Milchwirtschaft ist auf einem guten Weg. Die
angestrebte Auslobung des Systems QM-Milch ermöglicht unseren Milcherzeugern
eine höhere Wertschöpfung“, so Schmal. Der Erfolg werde davon abhängen, ob es
gelingt, eine hohe und langfristige Marktdurchdringung zu erreichen. Im Rahmen
der Branchenkommunikation „Initiative Milch“, die im zweiten Halbjahr 2021 an
den Start ging, müsse das ernährungsphysiologisch hochwertige und gesunde
Lebensmittel Milch stärker ins Bewusstsein der Verbraucher gerückt werden.
Ausweisung Roter Gebiete in der Kritik
Zur
hessischen Agrarpolitik merkte Schmal an, dass der Berufsstand mit der
Ausweisung der Roten Gebiete nach wie vor nicht einverstanden sei. Die Auswahl
der Messstellen und der Umfang der Gebiete sei vielfach nicht nachvollziehbar.„Beim Thema Wolf werden in Hessen falsche Schwerpunkte gesetzt. Der Schutz des
Wolfes hat einen weitaus höheren Stellenwert als der unserer Weidetiere. Genau
umgekehrt müsste es sein“, betonte Schmal. Er lobte dagegen die gemeinsam mit
der hessischen Landesregierung und Naturschutzverbänden im September letzten
Jahres auf den Weg gebrachte Kooperationsvereinbarung „Landwirtschaft und
Naturschutz in Hessen 2021“. Sie setze auf Kooperation, Freiwilligkeit und
Honorierung der von hessischen Landwirtinnen und Landwirten erbrachten
Leistungen. Jetzt komme es auf eine zielorientierte und praktikable Umsetzung
an.
Hessens
Landwirtschaftsministerin Priska Hinz ging in ihrer Videobotschaft zunächst auf
die Kritik der EU-Kommission an der Ausweisung der Roten Gebiete in Deutschland
ein. Bund und Länder seien nun gefordert, Lösungen vorzulegen, die die
Kommission akzeptiere. Auch für Hessen kündigte sie Änderungen an. Die neue
Bundesregierung mit einem grün geführten Landwirtschafts- und Umweltministerium
werde der Agrar- und Umweltpolitik Rückenwind verleihen. „Wir haben in Hessen
Einiges auf den Weg gebracht“, so Ministerin Hinz. Ebenso wie Präsident Schmal
nannte sie die im September letzten Jahres geschlossene
„Kooperationsvereinbarung Landwirtschaft und Naturschutz in Hessen“, mit der
Konfliktfelder überwunden und kooperative Ansätze unterstützt würden. Des
Weiteren nannte sie das Projekt „100 nachhaltige Bauernhöfe“. Die teilnehmenden
Betriebe aus den Bereichen Tierhaltung, Ackerbau, Öko- und konventioneller
Landwirtschaft hätten eine Vorbildwirkung für andere Unternehmen. Außerdem
verwies die Ministerin auf den erfolgreichen Ausbau des Ökolandbaus mit dem
Hinweis, dass Hessen seit 2020 Ökomodellland und damit Vorreiter in Deutschland
sei. Die rechtlichen Voraussetzungen für die künftige GAP 2023 seien getroffen
und der nationale Strategieplan könne jetzt eingereicht werden.
Den
Transformationsprozess aktiv begleiten
„Ohne
ökonomische Grundlage haben unsere Betriebe keine Zukunft“. Diese Feststellung
traf der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, zu Beginn
seines engagierten Vortrags zum Thema „Landwirtschaft in der Transformation“.
Es sei wichtig, dass der neue Bundeslandwirtschaftsminister, Cem Özdemir, sich
an den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft und den Vorschlägen
der Borchert-Kommission orientieren wolle. Denn der Koalitionsvertrag sei
relativ vage. Die neue Bundesumweltministerin, Steffi Lemke, setze sehr stark
auf Ordnungsrecht. „Das ist nicht unser Ansatz, sondern Kooperation. Maßnahmen
im Umwelt- und Naturschutz müssen sich für Landwirte auch ökonomisch rechnen.
„Die
Landwirtschaft ist einem Transformationsprozess ausgesetzt, den wir aktiv
begleiten müssen, damit möglichst viele Höfe erhalten bleiben“, betonte
Rukwied. Die junge Generation brauche Signale, um die Betriebe weiterentwickeln
zu können. Für den Umbau der Tierhaltung entsprechend den Vorschlägen der
Borchert-Kommission sei jährlich frisches Geld im Umfang von vier Milliarden
Euro erforderlich. Die Vorschläge der Bundesregierung bei den Eco-Schemes im
Rahmen der künftigen Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik bezeichnete Rukwied
als enttäuschend. Für eine fünfgliedrige Fruchtfolge lediglich 30 Euro pro
Hektar anzubieten, sei ein Armutszeugnis. Da müsse dringend nachgebessert
werden. Die durch die Umsetzung des European Green Deal und die
Farm-to-Fork-Strategie verursachten Produktionsrückgänge müssten unbedingt
einer Folgenabschätzung unterzogen werden. „Dass sich die EU-Kommission dagegen
wehrt, ist eine Frechheit“, so Rukwied. Damit verbundene erhebliche
wirtschaftliche Nachteile für die Landwirtschaft könnten nicht hingenommen
werden. Durch die Digitalisierung und neue Züchtungsverfahren, wie CRISPR-Cas, könne es
gelingen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Keinesfalls
dürfe es einen deutschen Sonderweg geben.
Beim
Thema „Mindestlohn“ sieht Präsident Rukwied keine Möglichkeit, die geplante
Erhöhung auf 12 Euro je Stunde „wegzuverhandeln“. Man dringe auf eine
Verschiebung und den Erhalt der kurzfristigen Beschäftigung für
Saisonarbeitskräfte. Der Bauernverband setze alles daran, den Anteil der
Landwirtschaft innerhalb der Wertschöpfungskette zu erhöhen. „Wir werden um
jeden Cent und halben Cent kämpfen müssen und dazu die eingerichtete Plattform Zentrale Koordination Handel-Landwirtschaft nutzen“,
so Rukwied. Er wies darauf hin, dass die deutsche Landwirtschaft auch den
Export benötige. In internationalen Handelsabkommen müssten
Nachhaltigkeitskriterien vereinbart werden, damit unter unseren Standards
produzierte Waren nicht importiert werden dürften. Beim Klimaschutz wolle die
Landwirtschaft aktiv ihren Beitrag leisten. Das müsse auch honoriert werden.
Die von den Bauernfamilien gewährleistete Sicherung der Ernährung basierend auf
der heimischen Produktion bezeichnete Rukwied als ein sehr hohes Gut. Sie sorge
per se für Stabilität. Er empfahl den Bäuerinnen und Bauern, die künftigen
Herausforderungen mit Realismus, Mut und Optimismus anzugehen.
Suche
Login
Termine
Tipp der Woche
Liquidität planen
Die Preisschwankungen von landwirtschaftlichen Gütern und Betriebsmitteln erreichen historische Höchststände. Eine Preisprognose ist selbst für Experten kaum möglich. Was macht das mit der Liquidität im Betrieb?
Die Preisschwankungen von landwirtschaftlichen Gütern und Betriebsmitteln erreichen historische Höchststände. Eine Preisprognose ist selbst für Experten kaum möglich. Was macht das mit der Liquidität im Betrieb?
STOPPT Landfraß