Mit seiner Vielseitigkeit bietet Hanf interessante Nutzungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft und eröffnet die Möglichkeit, innovative Produkte herzustellen. Doch der Weg vom Anbau bis zur Vermarktung war herausfordernd. Uwe Roth und Projektleiterin Freya Fehr erklären, wie sie Hürden meisterten und schließlich den „EIP-AGRI-Innovations-Award“ gewannen.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Die Hanfpflanze kann nach der Ernte vollständig genutzt werden: Die Hanfnüsse werden gepresst und als hochwertiges Hanföl verkauft. Sie können auch in der Tiernahrung, speziell für Tauben, eingesetzt werden. Aus den Hanfnüssen lässt sich sogar ein Aufstrich herstellen. „Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt“, erklärt Uwe Roth, „Das Hanf-Produkt ist sehr vielseitig und hat sich in der Ernährung schon gut etabliert.“
Der robuste Hanfstängel besteht aus Faser und Schäbe, die für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Die Faser findet Verwendung als nachhaltiges Baumaterial und ist ein Ersatz für Glaswolle. Die Schäbe wird als Einstreu für Tiere genutzt.
Roth und sein Team entwickelten ein europaweit einzigartiges Verfahren, mit dem der gesamte Hanfstängel zu einem hochwertigen, saugfähigen Pellet verarbeitet wird – ohne die Faser von der Schäbe zu trennen. Hierfür werden Faser und Schäbe zunächst gemahlen und dann zu einem Pellet gepresst. Die Labortests zeigten, dass dieses Pellet eine doppelt so hohe Saugfähigkeit wie Mitbewerberprodukte (z.B. Zellulose- und Dinkelspelzpellets) aufweist. Im Pellet sind keine Zusatzstoffe enthalten, wodurch es zu 100 % biologisch abbaubar ist. Das fertige Pellet kann in Hähnchenmastställen, Geflügelställen, Pferdeställen und im Haustierbereich eingesetzt werden. In Pferdeställen ist das Hanfstrohpellet besonders geeignet für Pferde mit einer Allergie.
„Der Aufbau einer Vertriebsstruktur für Hanfprodukte war herausfordernd, denn es gibt keinen etablierten Markt wie bei Raps oder Weizen“, betont Roth. „Mittlerweile haben wir Unternehmen gefunden, die wir mit dem Hanf beliefern, jedoch wollen wir die Vermarktung schrittweise weiter ausbauen.“ Hierfür braucht es weitere Produkttester und Zertifikate, um insbesondere auch den Kleintiermarkt zu beliefern.
Herausforderungen und Finanzierung des Projekts
Vier Jahre dauerte es von der Idee bis zum fertigen Produkt, da nicht nur der Anbau getestet, sondern auch spezielle Maschinen gebaut werden mussten. Um das Projekt zu finanzieren, bewarben sich die Landwirte erfolgreich um eine Förderung der Europäischen Innovationspartnerschaft "Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit" (EIP-AGRI). „Mit Hilfe der Förderung sollen Innovationen aus der Forschung oder der Praxis so umgesetzt werden, dass sie für die Landwirtschaft nützlich sind. Um den Anbau einer neuen Kultur ausreichend testen zu können, braucht es mehr als einen Hektar und dieser Test muss auch finanziert werden“, erklärt Freya Fehr. „Unsere Innovation bestand darin, eine neuartige Frucht anzubauen, sie in die Fruchtfolge des Betriebs zu etablieren und die komplette Wertschöpfungskette aufzubauen.“
Zu Beginn des Projektes stellten neun Landwirte insgesamt 60 bis 100 Hektar bereit. Der Kreisbauernverband Werra-Meißner unterstützte die Zusammenarbeit und übernahm die Rolle des Lead-Partners – von der Förderabrechnung bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Um die Förderung zu betreuen, musste eine neue Stelle geschaffen werden, die ebenfalls durch die Unterstützung der EIP-Förderung bezahlt werden konnte. „Wir müssen uns als Landwirte um diese Förderung kümmern, damit wir praxisnahe Lösungen in der Landwirtschaft finden. Wenn wir uns nicht auf diese Gelder bewerben, werden sie an andere Projekte verteilt“, so Uwe Roth. Auch wenn er betont, dass es nicht immer leicht war, alle Kriterien und Projektvorgaben zu erfüllen.
Gewinner des EIP-AGRI Innovation Award und Zukunft des Projekts
Und der Erfolg zahlte sich aus: In diesem Jahr gewannen sie den „EIP-AGRI Innovation Award“ für „innovative Geschäftsmodelle mit dem Schwerpunkt auf kurzen Lieferketten für Lebensmittel, Marketing- und Verbrauchsinitiativen“. Gemeinsam reisten die beiden nach Lissabon, um den Preis entgegenzunehmen. Freya Fehr erklärt: „Wir haben uns beworben, weil dieses Projekt ein echtes Leuchtturmprojekt ist. Viele von diesen Förderprojekten enden nach Projektabschluss und bewirken keine langfristige Veränderung. Der Hanfanbau inklusive Vermarktung läuft seit dem Ende der Förderung im Dezember 2023 weiter.“
Für Roth und sein Team ist der Hanfanbau eine vielversprechende Perspektive, besonders in Zeiten des Klimawandels. „Selbst in trockenen Jahren liefert Hanf gute Erträge, denn seine tiefen Wurzeln kommen an das Wasser im Boden“, erklärt Roth. „Und wir werden mit der reduzierten Stickstoffdüngung und dem Verzicht auf Pflanzenschutzmittel viele Probleme schon im Vorfeld gelöst haben, die uns in der Zukunft von außen erreichen könnten. Die Produkte des Hanfes werden auch zukunftsfähig sein, weil sie sehr gut recyclebar sind – selbst wenn man sie als Baumaterial verwendet. Zudem haben sie eine sehr gute Öko- und CO₂-Bilanz.“ Die Anbaufläche soll in den kommenden Jahren verdoppelt oder verdreifacht werden. Hierfür benötigt es jedoch Firmen, die bereit sind regionale Innovationen anzunehmen und einzukaufen.
Das Projekt #ZukunftsBauer will Impulse setzen, wie die Landwirtschaft der Zukunft durch innovative Denkansätze und neue wirtschaftliche Aktivitäten gestaltet werden kann. Jede Betriebsfamilie entscheidet für sich, welchen Weg sie einschlagen möchte, denn eine einheitliche Definition gibt es nicht. Daher präsentieren wir exemplarische Konzepte, die wir für zukunftsfähig halten – mit dem Ziel, sowohl die Wertschätzung als auch die Wertschöpfung in der Landwirtschaft zu steigern.