Zehn Milliarden Euro in zwölf Jahren, gespeist u. a. aus 7,4 Milliarden Euro Bundes-Sondervermögen, mehr als die Hälfte davon für die Kommunen. Sicherheit, Infrastruktur, Digitales, Bildung, Gesundheit und Sport – alles wichtig, alles richtig. Doch Landwirtschaft – aber auch das produzierende Gewerbe – bleiben erstaunlich unscharf im Bild. Uns fehlt der klare Pfad, der Urproduktion resilient macht: von Ställen mit Zukunft über Verarbeitungskapazitäten bis zur digitalen Infrastruktur auf dem Land. Das Sondervermögen droht am ländlichen Raum vorbeizugehen. Ohne gezielten Zugriff der Landwirtschaft auf diese Mittel bleibt „Zukunft“ ein Stadtprogramm.
Kleine Stellschrauben reichen nicht
Während etwa die geplante Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie zur Zitterpartie zu werden scheint, hat das Zurückdrehen der fatalen Agrardieselentscheidung von vor zwei Jahren mittlerweile alle gesetzgeberischen Hürden einigermaßen mühelos gemeistert. Das ist ein großer Erfolg. Gleichzeitig muss betont werden, dass diese Übung bei den Betroffenen irgendwo zwischen Aufwärmen und Einlaufen einzuordnen ist. Es braucht einen klaren agrarpolitischen Kompass mit großen Stellschrauben an echten Zukunftsprojekten und noch der ein oder anderen niedrighängenden Frucht, die es abzupflücken gilt.
Die hessische Urproduktion ist bereit zu liefern – ökonomisch, ökologisch, technologisch
Dafür braucht sie aber andere Rahmenbedingungen. Und diese sind herstellbar. Wir liefern neben unserem 10-Punkte-Plan dazu einige Ansätze für Agrarpolitikgestaltung innerhalb der Landesgrenzen:
1. Mehrgefahrenversicherung einführen – Risikovorsorge statt Ad-hoc-Hilfen
Die Wetterextreme der letzten Jahre zeigen: Betriebe können die Risiken nicht mehr allein schultern. Wir fordern eine staatlich geförderte Mehrgefahrenversicherung mit 50 % Zuschuss zur Prämie. Abgedeckt werden müssen Spätfrost, Starkregen, Trockenheit und Sturm. Für Sonderkulturen wie Obstbau braucht es gesonderte Unterstützung. Ziel: Einstieg erleichtern, breite Teilnahme sichern und den Staat bei marktwirtschaftlich getragenen Risikoabsicherungssystemen langfristig von teuren Ad-hoc-Hilfen entlasten.
2. Kompensationssystem reformieren – Flächen schützen, Wertschöpfung erhalten
Die Schonung landwirtschaftlicher Nutzflächen ist kein Randthema, sondern Grundbedingung für Ernährungssicherheit. Wir fordern: Vorrang für nicht-flächenbezogene Maßnahmen, produktionsintegrierte Ökopunkte, angemessene finanzielle Kompensation über einen Öko-Fonds und jährliche Auszahlung. Rechtliche Anpassungen im Naturschutzgesetz und der Kompensationsverordnung sind überfällig. Wiederaufforstung als Standardmaßnahme streichen, stattdessen klimaresilienten Walderhalt fördern.
3. Flurbereinigung neu denken – Landwirtschaft ins Zentrum
Die Instrumente der Flurbereinigung müssen wieder für die Landwirtschaft wirken: zukunftsfähige Schlaggrößen, ein modernes Wegenetz bei naturschutzfachlicher Vernetzung in sinnvollen Umfängen und Ausgestaltungen. Verfahren müssen schneller und mit klar erkennbarem Vorteil für die Betriebe umgesetzt werden – sonst bleibt Akzeptanz ein Fremdwort.
4. Gleichstellung in Planungsverfahren – Landwirtschaft braucht Stimme und Recht
Naturschutzverbände haben ein Verbandsklagerecht, wir nicht. Das muss sich ändern. Landwirtschaftsverbände müssen als „Anwälte der Ernährungssicherung“ anerkannt werden, um in Infrastruktur- und Raumplanungen gleichwertig beteiligt zu sein. Es ist gemeinhin anerkannt, dass sich die Agrarproduktion nachhaltig intensivieren muss – auch in Zentraleuropa.
5. Strohprämie für Hessen – Tierwohl und regionale Kreisläufe stärken
NRW zeigt, wie es geht: Eine Strohprämie schafft noch mehr Tierwohl, stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und stärkt den Tierhaltungsstandort Hessen. Wir fordern ein eigenes Programm für Hessen mit festen Fördersätzen je Tierart – unabhängig von Weidehaltung und auch für Jungvieh.
6. Wasserrecht praktikabel machen – Schutz ja, Übermaß nein
Fast 40 % Hessens sind Wasserschutzgebiet – das ist zu viel. Wir fordern: bundeseinheitliche Anwendung der Normierungsregelungen, Begrenzung der Gewässerausdehnung, praktikable Randstreifenregelungen und eine Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie mit standortangepassten Maßnahmen. Grundwasserschutz ist mit moderner, wettbewerbsfähiger Landwirtschaft vereinbar.