Die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns auf zunächst 13,80 Euro und dann ab 2027 sogar 14,60 Euro stellt viele landwirtschaftliche Betriebe in Hessen vor große Probleme – insbesondere im Bereich der Sonderkulturen wie Obst-, Gemüse- und Weinbau. Diese Bereiche sind besonders arbeitsintensiv, das bedeutet: Ein großer Teil der Kosten entfällt auf Löhne. In manchen Fällen machen die Lohnkosten bis zu 60 Prozent der gesamten Produktionskosten aus.
Was auf den ersten Blick wie eine gerechte Verbesserung für Arbeitnehmer erscheint, hat in der Praxis weitreichende Folgen für die Landwirtschaft – vor allem, weil unsere Landwirte in einem intensiven Wettbewerb mit Betrieben aus anderen EU-Ländern stehen. Und dort liegen die Löhne teils deutlich unter dem deutschen Mindestlohn.
Zum Vergleich: In Polen beträgt der Mindestlohn aktuell nur 7,08 Euro pro Stunde, in Spanien 8,37 Euro, in Griechenland sogar nur 5,60 Euro. Gerade im Apfelanbau ist Polen ein wichtiger Mitbewerber. Beim Gemüse stammt ein großer Teil der Konkurrenzware aus Spanien. Die dortigen Betriebe können ihre Produkte deshalb deutlich günstiger anbieten.
„Wir können im Wettbewerb nicht mehr mithalten“
Diese Situation sorgt dafür, dass deutsche Produkte im Vergleich zu teuer erscheinen – nicht etwa, weil sie qualitativ schlechter wären, sondern weil die Kosten für ihre Herstellung höher sind. Karsten Schmal, Präsident Hessischer Bauernverband, bringt es auf den Punkt: „Wir können im Wettbewerb mit dem Ausland nicht mehr mithalten, wenn der Mindestlohn noch weiter steigt.“
Für viele Betriebe ist es unmöglich, die gestiegenen Lohnkosten über höhere Preise am Markt auszugleichen. Verbraucher greifen oft zu günstigeren Produkten aus dem Ausland, nicht zuletzt wegen der steigenden Lebenshaltungskosten. Das bringt hessische Betriebe zusätzlich unter Druck.
Sonderregelung für Saisonarbeitskräfte als Lösungsvorschlag
Gemeinsam mit dem Deutschen Bauernverband und weiteren Verbänden der grünen Branche setzen wir uns deshalb gemeinsam für eine Sonderregelung ein. Konkret geht es um die Möglichkeit, bei saisonalen Tätigkeiten – also zum Beispiel bei der Ernte – einen geringeren Mindestlohn zahlen zu dürfen. Vorgeschlagen wird, dass für solche Tätigkeiten ein Lohn von 80 Prozent des gesetzlichen Mindestlohns gelten darf.
Wichtig ist: Der aktuelle Mindestlohn von 12,82 Euro soll dabei nicht unterschritten werden. Bei Umsetzung der vorgeschlagenen Regelung würden saisonale Kräfte in der Landwirtschaft auch in den kommenden Jahren nicht mehr als 12,82 Euro, aber auch nicht weniger erhalten – solange der gesetzliche Mindestlohn nicht auf über 16 Euro steigt.
Warum das so wichtig ist – gerade für Hessen
In Hessen spielen Sonderkulturen eine besonders wichtige Rolle. Der Obstanbau ist in vielen Regionen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor – von den Streuobstwiesen bis hin zu großen Apfelplantagen. Auch im Gemüseanbau und im Weinbau sind viele Betriebe auf saisonale Helfer angewiesen. Ohne eine Sonderregelung sind diese Arbeitsplätze kaum noch bezahlbar.
Wenn es keine Entlastung gibt, droht vielen Betrieben das Aus. Schon heute ist der Selbstversorgungsgrad bei Obst (23 %) und Gemüse (36 %) in Deutschland erschreckend niedrig. Das bedeutet: Der Großteil unseres Obstes und Gemüses kommt aus dem Ausland. Wenn nun in der Konsequenz weitere heimische Betriebe aufgeben, wird es immer weniger Obst und Gemüse aus heimischer Erzeugung geben. Damit bauen wir nicht nur die Möglichkeiten zur Versorgung von Obst und Gemüse nach deutschen Standards ab, sondern erhöhen beispielsweise den CO2-Fußabdruck oder den Wasser-Fußabdruck. Damit importieren wir nicht nur Obst und Gemüse, sondern exportieren auch Umweltprobleme.
Ohne Sonderregelung geht es nicht
Die Anhebung des Mindestlohns gefährdet die Zukunft vieler landwirtschaftlicher Betriebe in Hessen – vor allem im Bereich der Sonderkulturen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und die heimische Erzeugung zu sichern, ist eine Sonderregelung für Saisonarbeitskräfte dringend notwendig. Nur so können unsere Landwirte weiterhin hochwertige Produkte anbieten und die regionale Versorgung sicherstellen.
Der Hessische Bauernverband unterstützt die Forderung nach dieser Sonderregelung mit Nachdruck. Es geht nicht um Lohndumping, sondern um faire und realistische Bedingungen im europäischen Wettbewerb. Mehr dazu lesen Sie beim Deutschen Bauernverband.