Betrachtet man die die Populationsentwicklung des Bibers in Hessen isoliert, so scheint es eine echte Erfolgsgeschichte. Mittlerweile leben viermal mehr Biber in Hessen als noch vor zehn Jahren. Dabei erzeugt die scheinbar ungebremste Ausbreitung allerdings Konflikte, die es zu lösen gilt. Ertragsverluste, Qualitätseinbußen und eine erhebliche Entwertung der betroffenen Flächen sind häufig die Folgen. Wir betonen dabei die Bedeutung eines konstruktiven Dialogs und die Bereitschaft, tragfähige Lösungen zu finden, die sowohl die Interessen der Landwirte als auch die Bedürfnisse der Umwelt und der Gesellschaft berücksichtigen.
Der Hessischer Bauernverband spricht sich für ein effektives Bibermanagement aus, das sowohl den Schutz des Bibers als auch die Interessen der Landwirte berücksichtigt. Dazu gehört, die Möglichkeit von Eingriffen in Biber-Dämme zu erleichtern und die Unterhaltung der Maßnahmen effektiv umzusetzen. Ebenso ist es entscheidend, Verfahrensabläufe klar zu kommunizieren und die betroffenen Betriebe und Grundeigentümer frühzeitig mit einzubeziehen. Geschädigte Landwirte müssen schnelle und einfache Zahlungen erhalten. Bei ausbleibendem Erfolg der Maßnahmen müssen gezielte Entnahmen grundsätzlich möglich sein. Darüber hinaus fordert der HBV eine regelmäßige Erfassung und kritische Prüfung der hessischen Biberbestände, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Artenschutz und wirtschaftlichen Interessen sicherzustellen.
Hintergrund
Der Biber (Castor fiber), Europas größtes heimisches Nagetier, ist in verschiedenen Fließ- und Stillgewässern anzutreffen. Der Lebensraum des Bibers ist an Gewässer gebunden, in denen Burgen und Erdbauten mit Eingängen unterhalb der Wasseroberfläche angelegt werden. Um die notwendige Wassertiefe zu gewährleisten, staut der Biber das Gewässer mit Dämmen auf, was jedoch zu Konflikten in unserer Kulturlandschaft führen kann. Heute leben rund 30.000 Biber in Deutschland, über 1.900 Biber davon in Hessen.
Problematik
Seit einigen Jahren stehen Grundeigentümer und Bewirtschafter landwirtschaftlicher Flächen vor erheblichen Herausforderungen und Einschränkungen. Der Grund dafür ist die stark wachsende Biberpopulation in Hessen, welche eine exponentielle Tendenz aufweist. Dies verursacht zahlreiche Nutzungskonflikte.
Einerseits wird die Zunahme der Biberbestände aus Sicht des Arten- und Umweltschutzes als Erfolg gewertet, da sich die Population in den letzten Jahren deutlich vergrößert und stabilisiert hat. Andererseits führt diese Entwicklung zunehmend zu Konflikten und erheblichen Schäden auf angrenzenden Flächen von Grundeigentümern, landwirtschaftlichen Betrieben sowie Kommunen und Städten.
Ein Hauptproblem ist die Bautätigkeit der Biber, insbesondere das Errichten von Dämmen, die zu einer Aufstauung der Gewässer führen. Dies hat zur Folge, dass sich das Wasser über die eigentlichen Gewässergrenzen hinaus ausbreitet und angrenzende Flächen zum Teil ganzjährig überflutet. Dadurch kommt es zu erheblichen Eingriffen in Eigentum und Bewirtschaftungsmöglichkeiten. Auf den betroffenen Acker-, Grünland- und Dauerkulturflächen verzeichnen landwirtschaftliche Betriebe zum Teil erhebliche Ertrags- und Qualitätseinbußen bis hin zu Totalausfällen.
Die zunehmende Vernässung verkürzt die Zeitfenster für die landwirtschaftliche Bearbeitung der Flächen erheblich, sodass Ernte und Pflege nur eingeschränkt oder gar nicht durchgeführt werden können.
Weiterhin wirken die veränderten Wasserstände negativ auf die vorhandenen Drainagesysteme auf landwirtschaftlichen Flächen, welche ein zentrales Instrument für die Bewirtschaftung sind.
Die Funktion der Drainagen sind nur gegeben, wenn das Wasser von der Fläche abfließen kann. Dadurch sind nicht mehr nur Flächen in unmittelbarer Nähe zum Gewässer und dem Staudamm des Bibers betroffen, sondern in der gesamten Gemarkung zu finden.
Neben der Überflutung der Flächen verzeichnen die Betroffenen zum Teil erhebliche Schäden in der Uferbefestigung. Durch die Bautätigkeit von Gängen in angrenzenden Uferbereichen können Landmaschinen einbrechen und so erheblich beschädigt werden.
Zudem ist ein weiter steigender Flächendruck in den betroffenen Gemarkungen zu verzeichnen. Aufgrund der sinkenden Produktionsfläche durch den Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsinfrastruktur, stellt der Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen durch Eingriffe des Bibers hier ein wachsendes Problem dar. Steigende Pacht- und Kaufpreise der nicht betroffenen Flächen sind an der Stelle die Folge.
Infolgedessen führt die Überschwemmung zu einer erheblichen Flächenentwertung der Grundeigentümer, da die Bewirtschaftung häufig nicht mehr ordnungsgemäß gegeben ist.
Neben den direkten Ertragseinbußen entstehen auch zusätzliche Kosten für betroffene Betriebe. Dazu zählen Anpassungen in der Fruchtfolge, ein erhöhter Kontrollaufwand der betroffenen Flächen sowie Reparaturen an der Infrastruktur, insbesondere an Wirtschaftswegen, die durch Über- oder Unterspülung instabil werden. Auch kommunale Infrastrukturen wie Kläranlagen oder Sportplätze können durch den Wasseranstieg beeinträchtigt werden.
Forderungen
Die wachsende Biberpopulation in Hessen stellt die Landwirtschaft und die Grundeigentümer vor erhebliche Herausforderungen. Um einen nachhaltigen Ausgleich zwischen Artenschutz und landwirtschaftlicher Nutzung zu schaffen, müssen praktikable Lösungen gefunden werden. Ein konstruktiver Dialog mit den Beteiligten ist hier unerlässlich, um gemeinsame tragfähige Lösungen zu entwickeln.
Insbesondere der Umgang mit Biberbauten erfordert eine Anpassung der bestehenden Regelungen. Eingriffe in Dämme und in die Regulierung der Wasserstände sollten erleichtert werden, um Überschwemmungsschäden und die damit verbundenen wirtschaftlichen Einbußen zu minimieren. Den ortsansässigen landwirtschaftlichen Betrieben soll die Möglichkeit gegeben werden, im Rahmen einer genehmigten Unterhaltung Maßnahmen wie das Freihalten von Über- und Durchläufen selbst und unbürokratisch durchzuführen, um Wasserabflüsse sicherzustellen und Schäden zu vermeiden.
Zudem plädiert der Hessische Bauernverband, die Gewässerunterhaltung im Zuge einer funktionierenden Gewässerstruktur und im Sinne des Hochwasserschutzes, mit höchster Sorgfalt zu gewährleisten. Totholz und übrige Pflanzenreste können sich vor die Über- und Durchläufe setzen, sodass deren Funktionsfähigkeit eingeschränkt werden kann. Durch Auslegungshinweise oder gesetzliche Anpassungen ist zudem klarzustellen, dass Flächen, welche aufgrund von Biberbauten überflutet wurden, nicht dem Gewässerbett iSv. § 5 Hessisches Wassergesetz zufallen.
Führt eine solche Maßnahme nicht zu dem nötigen Erfolg, müssen weitere Handlungen zwingend folgen. Die Umsiedlung sowie die gezielte Entnahme müssen grundsätzlich möglich sein. Im Zuge dessen fordert der Hessische Bauernverband die Aufnahme des Bibers in das Jagdrecht, um unbürokratische Möglichkeiten zu schaffen. Weiterhin sollte sich die Landesregierung für ein Herabsetzen des Schutzstatus einsetzen.
Neben diesen Maßnahmen ist eine effizientere Gestaltung der Verfahrensabläufe notwendig. Derzeit werden Eigentümer und Bewirtschafter oft unzureichend in Entscheidungsprozesse eingebunden, obwohl sie direkt von den Auswirkungen betroffen sind. Eine bessere Koordination zwischen den zuständigen Behörden, insbesondere der Oberen Naturschutzbehörde, der Unteren Naturschutzbehörde und HessenForst, ist dringend erforderlich. Das Einbeziehen der jeweiligen Ortslandwirtinnen und Ortslandwirte ist an der Stelle unerlässlich. Zudem sollte vermieden werden, dass der beteiligte Personenkreis unnötig ausgedehnt wird.
Weiterhin müssen die von der hessischen Landesregierung geplanten Billigkeitsleistungen für die Biber-Schäden schnell und ohne überbordeten bürokratischen Aufwand den Betroffenen gezahlt werden. Um die Schäden zu erfassen, sollte auf bereits vorhandene Strukturen, in Form der Wildschadensschätzer, zurückgegriffen werden. Hier existiert bereits ein Kreis von Ansprechpartnern, die mit ihrer Fachexpertise Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen feststellen und bewerten. Diese sind in der Regel gut in der jeweiligen Gemarkung vernetzt und kennen die örtlichen Gegebenheiten häufig.
Neben den genannten Maßnahmen ist die regelmäßige Erfassung der Biberbestände in Hessen sinnvoll und zu begrüßen. Dabei muss die Populationsentwicklung immer kritisch geprüft werden, um ein Gleichgewicht zwischen Arten- und Umweltschutz und der Wirtschaftlichkeit der betroffenen Betriebe zu gewährleisten.
Kurzforderungen
- Möglichkeit der Eingriffe in Biber-Dämme erleichtern;
- Unterhaltung der Maßnahmen effektiv umsetzen;
- Bei unzureichender Wirkung von Maßnahmen die gezielte Entnahme von Bibern ermöglichen;
- Aufnahme des Bibers in das Jagdrecht;
- Verfahrensabläufe klar kommunizieren und die betroffenen Betriebe mit einbeziehen;
- Schnelle und einfache Zahlungen für Geschädigte;
- Regelmäßige Erfassung und kritische Prüfung der hessischen Biberbestände.