Die hessische Landwirtschaft steht vor Herausforderungen: Neue europäische und nationale Vorgaben, wachsende Bürokratie, Zielkonflikte bei Flächennutzung und Naturschutz sowie Unsicherheiten bei Förderungen und Digitalisierung verlangen nach klaren, praxistauglichen Lösungen.
Die Landesregierung ist gefordert, die Interessen der hessischen Landwirtinnen und Landwirte entschlossen zu vertreten und praxisnahe Maßnahmen zu initiieren. Zu einigen zentralen Themenfeldern möchte der HBV nachfolgend seine Anliegen und Positionen zusammenfassen.
Düngerecht und Gebietsausweisung
Das Bundesverwaltungsgericht hat die aktuelle Ausweisung der „Roten Gebiete“ für verfassungswidrig erklärt (insbesondere § 13a DüV und AVV GeA) und festgestellt, dass Grundrechte wie Eigentum und Berufsfreiheit nicht ausreichend schützt werden. Die Unsicherheit bei der Gebietsausweisung und die bestehenden Bewirtschaftungsauflagen führen zu erheblichen Belastungen und Planungsunsicherheit für landwirtschaftliche Betriebe in Hessen.
Forderung an die Landesregierung:
Der Vollzug der zusätzlichen Auflagen in roten und gelben Gebieten sollte mit sofortiger Wirkung ausgesetzt werden, bis eine rechtssichere Grundlage geschaffen ist. Die Landesregierung muss sich für eine verursachergerechte, differenzierte Neuabgrenzung einsetzen und die Interessen der besonders gewässerschonenden Betriebe verbindlich schützen.
Digitalisierung und HeLaWi-App
Das Land Hessen hat die HeLaWi-App (Hessische Landwirtschafts-App) mit dem erklärten Ziel entwickelt, den Kontrollaufwand für landwirtschaftliche Betriebe und Verwaltung spürbar zu reduzieren. Moderne Technologien und digitale Prozesse sollen die Effizienz steigern und Abläufe vereinfachen. Diesen Ansatz und das erklärte Ziel unterstützt der Hessische Bauernverband ausdrücklich und sieht darin ein großes Potenzial für die Zukunft.
Die Realität zeigt jedoch erhebliche Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. In den vergangenen Wochen wurden zahlreiche Fotoaufträge und Nachweispflichten an die Betriebe verschickt – in einem Ausmaß, das weder verhältnismäßig noch praxistauglich ist. Das Resultat: unnötiger Mehraufwand, Verunsicherung und Unverständnis bei den Landwirtinnen und Landwirten.
Obwohl die Nutzung der App offiziell freiwillig ist, drohen Sanktionen bei Systemabweichungen – insbesondere dann, wenn die Verwaltung diese nicht kontrollieren kann. Die Betriebe sind bereit, in Ausnahmefällen und bei tatsächlich unklaren Sachverhalten zu unterstützen, erwarten jedoch ein verlässlich funktionierendes System.
Forderung an die Landesregierung:
Deutliche Verbesserung des IT-Systems und Sicherstellung, dass keine unnötigen administrativen Belastungen entstehen. Die Nutzung von Künstlichen Intelligenz zur Reduzierung des Kontrollaufwands wird ausdrücklich begrüßt, sofern die Funktionalität in einem verträglichen Maß gegeben ist.
Flächennutzung und Förderpolitik
Die Konkurrenz um Flächen zwischen Landwirtschaft, Naturschutz und Infrastrukturprojekten nimmt zu. Die Ausweisung neuer Schutzgebiete, Aufforstungen und Förderprogramme wie die Streuobstrichtlinie dürfen nicht zulasten der landwirtschaftlichen Nutzfläche gehen. Weiterhin müssen bestehende gut etablierte Programme, wie das HALM-2-Programm, gestärkt werden und gemeinsam mit den betroffenen Akteuren weiterentwickelt werden, bevor neue Förderprogramme geschaffen werden. Hier drohen weitreichende Kannibalisierungseffekte.
Forderung an die Landesregierung:
Die Landesregierung sollte darauf hinarbeiten, der landwirtschaftlichen Nutzung bei Flächenkonkurrenzen eindeutig Vorrang einzuräumen sowie bestehende Förderprogramme weiter zu stärken und zu vereinfachen. Zudem ist es notwendig, die Förderbedingungen zu harmonisieren und praxistauglich zu gestalten.
Bei Eingriffen in den Wald soll statt Aufforstung auf landwirtschaftlicher Fläche der klimaresiliente Waldumbau und die Wiederaufforstung von Schadflächen vorrangige Kompensationsmaßnahme sein. Für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie soll auf Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen verzichtet werden.
Infrastruktur und Verkehrssicherheit
In der Praxis kommt es vermehrt zu Nutzungskonflikten auf Wirtschaftswegen zwischen landwirtschaftlichem Verkehr und der Nutzung durch Freizeitverkehr. Die Verantwortung für das Feldwegenetz und den Radwegeausbau liegt in der Regel bei Städten und Gemeinden und muss klar adressiert werden. Im Rahmen dessen müssen ausreichende Mindestbreiten und sichere Ausweichstellen vorhanden sein.
Wirtschaftswege dienen in erster Linie dem Zweck der Bewirtschaftung von land- und forstlichen Flächen. Ein verkehrsrechtlicher Vorrang dieser landwirtschaftlichen Fahrzeige mittels Beschilderung muss zwingend umgesetzt werden.
Forderung an die Landesregierung:
Im Sinne einer gemeinsamen Nutzung der Wirtschaftswege muss die Förderung von Radwegen und Feldwegen an ausreichender Breite und sicherer Gestaltung für landwirtschaftliche Fahrzeuge geknüpft sein. Die Landesregierung muss sich für eine rechtssichere Beschilderung und die Berücksichtigung der Verkehrssicherungspflicht einsetzen.
Bürokratieabbau und Beteiligung
Die Vielzahl neuer Regelungen, Gesetze und Programme führt zu wachsender Bürokratie und Unsicherheit. Eine echte Beteiligung der Betroffenen findet oft nicht oder nur unzureichend statt. Die Landesregierung ist gefordert, die Prozesse zu vereinfachen, die Beteiligung der Landwirte sicherzustellen und die Verwaltung zu entlasten.
Forderung an die Landesregierung:
Konsequenter Bürokratieabbau, transparente und praxisnahe Beteiligungsverfahren sowie eine stärkere Einbindung der landwirtschaftlichen Praxis in die Ausgestaltung neuer Regelungen.
Umsetzung der Naturwiederherstellungsverordnung
Die EU-Naturwiederherstellungsverordnung ist seit August 2024 in Kraft und verlangt von den Ländern bis Oktober 2025 umfassende Datenlieferungen. Die Umsetzung bedeutet einen Paradigmenwechsel: Nicht mehr nur Schutz, sondern aktive Wiederherstellung (eines nicht näher definierten Zeitpunktes) steht im Mittelpunkt. Die Bewertung erfolgt über Indikatoren, welche wissenschaftlich zum Teil umstritten sind und oft praxisfern.
Die Landwirtschaft ist bereit, ihren Beitrag zu leisten, sofern Maßnahmen wirtschaftlich tragfähig und praxistauglich sind. Pauschale Flächenziele lehnen der HBV ab: Sie erhöhen den Druck auf die ohnehin knappen landwirtschaftlichen Flächen und gefährden die regionale Lebensmittelproduktion. Die Umsetzung darf die Bewirtschaftungsfreiheit nicht einschränken und muss regionale Gegebenheiten berücksichtigen. Kooperation und echte Beteiligung der Landwirte sind zwingend erforderlich; hoheitliche Planungen und Schutzgebietsausweisungen lehnen wir ab. Die Finanzierung ist ungeklärt – zusätzliche Mittel außerhalb der EU-Agrarpolitik und ein verlässlicher Ausgleich für Landbewirtschafter sind unerlässlich.
Forderung an die Landesregierung:
Transparente Bestandsaufnahme und Folgenabschätzung vor Umsetzung, verbindliche Festschreibung des Freiwilligkeitsprinzips, umfassende Beteiligung der Betroffenen und demokratische Legitimation. Die Landesregierung muss sich auf Bundes- und EU-Ebene für realistische Fristen und Ziele einsetzen und eine kritische Überprüfung der Vorgaben einfordern.
Fazit und zentrale Forderung
Die hessische Landwirtschaft braucht Planungssicherheit, praxistaugliche Regelungen und erwartet von der Landesregierung, dass sie sich auf allen Ebenen für die Interessen der Landwirtinnen und Landwirte einsetzt. Wir fordern die Landesregierung auf, die genannten Punkte entschlossen anzugehen, die Beteiligung der Betroffenen zu stärken und die Rahmenbedingungen für eine zukunftsfähige, leistungsfähige und nachhaltige Landwirtschaft in Hessen zu schaffen.