Wir brauchen politischen Fokus auf Zukunftsfähigkeit

23.12.2022
Grußwort zum Jahreswechsel von HBV-Präsident Karsten Schmal.
Standpunkt
Karsten Schmal weihnachtlich
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Liebe Bäuerinnen und Bauern,

liebe Landjugendliche,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

 

dass wir uns am Ende dieses Jahres mit einem Krieg mitten in Europa auseinandersetzen müssen, dessen Ende nach wie vor nicht in Sicht scheint, hätte vor einem Jahr wohl niemand für möglich gehalten. So war nicht die Corona-Pandemie das alles beherrschende Thema, sondern vielmehr die Auswirkungen und die neuen Herausforderungen, die der schlimme Krieg in der Ukraine mit sich brachte und bringt. Explodierende Betriebsmittelkosten, leere Regale in den Supermärkten, kaum zu bremsende Inflationsraten, Gasknappheit oder Logistikprobleme – all das hat unserer Gesellschaft gezeigt, dass die Verfügbarkeit von Lebensmitteln nicht mehr selbstverständlich ist und welch hohen Stellenwert unsere heimische Landwirtschaft hat.

Versorgungssicherheit wieder mehr im Fokus

Für uns Landwirtinnen und Landwirte spielt unser Beitrag zur Versorgung aller mit hochwertigen und unter höchsten Standards regional erzeugten Lebensmitteln immer schon eine der wichtigsten Rollen unseres täglichen Schaffens. Dieser Aufgabe sind wir auch in diesen unsicheren Zeiten zuverlässig nachgekommen. Um auch in Zukunft die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können und gleichzeitig alle weiteren Herausforderungen wie Umwelt- und Klimaschutz, Tierwohl und Artenvielfalt gemeinsam zu meistern, brauchen wir Politik und Gesellschaft als zuverlässige Partner an unserer Seite. Mit diesem Ziel vor Augen hat sich das Team des Hessischen Bauernverbandes auch im Jahr 2022 tagtäglich für unseren Berufsstand stark gemacht.

Gesamtgesellschaftliche Aufgabe Klimawandel

Nach der extremen Trockenheit in diesem Sommer und Herbst wurde jedem bewusst, dass der Klimawandel nicht mehr nur ein kaum greifbarer Begriff, sondern längst in unser aller Leben angekommen ist. Wir Landwirte sind unmittelbar betroffen, denn unsere „Werkstatt“ ist draußen, wir wirtschaften unter freiem Himmel. Besonders die Tierhalter haben spüren müssen, dass die Trockenheit zu erheblicher Futterknappheit auf vielen Betrieben führt. Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselfaktor im Kampf gegen den Klimawandel: Mit neuen Technologien in der Tierhaltung und im Ackerbau bieten wir viele Möglichkeiten, die eine effizientere, umweltschonendere und tiergerechtere Landwirtschaft ermöglichen.

Große Sorgen bereitet mir weiterhin der Rückgang der tierhaltenden Betriebe in Hessen – die Anzahl nimmt, wie auch in anderen Bundesländern, stetig ab. Die Gründe hierfür sind vielfältig und sicherlich auch betriebsindividuell. Doch ruinöse Erzeugerpreise bei den Schweinehalterinnen und -haltern, die fehlende Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung, die unzureichenden Pläne bei der Tierhaltungskennzeichnung sowie die unsicheren politischen Rahmenbedingungen und die dadurch fehlende Planungssicherheit sind hier die maßgeblichen Treiber.

Für die Ackerbau- und Milchviehbetriebe hingegen war es ein gutes Jahr, die höheren Erzeugerpreise für Getreide und Milch brachten eine positive wirtschaftliche Entwicklung mit sich. Die gleichzeitig gestiegenen Kosten relativieren diesen Trend jedoch, denn auch die Erzeugerpreise sind derzeit hoch volatil.

Die Landwirtschaft hängt stark von politischen Entscheidungen ab – dabei stellen die Düngeverordnung, die GAP, das Vorhaben der EU-Kommission zur umfangreichen Einschränkung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes, die fehlende Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung und vieles mehr unsere landwirtschaftlichen Betriebe stets vor neue Hürden. Besonders die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik hat uns in diesem Jahr beschäftigt. Nach langem hin und her ist der GAP-Strategieplan endlich genehmigt und die Hängepartie beendet. Trotzdem geht die neue GAP mit deutlichen Konstruktionsfehlern an den Start. Die Bürokratie wird weiter zunehmen und die finanzielle Attraktivität von Umweltleistungen wie Eco-Schemes abnehmen.

Kooperationsvereinbarung leben und umsetzen

Spannend wird es im nächsten Jahr, da die Landtagswahl in Hessen ansteht. Zum Ende der aktuellen Legislaturperiode bekommen wir voraussichtlich ein Naturschutzgesetz, ein Klimagesetz und das Naturmonument „Grünes Band“. Doch Natur- und Klimaschutz geht nur gemeinsam mit der Landwirtschaft und nicht mit ordnungsrechtlichen Beschränkungen. Wir Bäuerinnen und Bauern wollen die Ernährung sichern, das Klima schützen und die Artenvielfalt erhalten. Dafür brauchen wir verbindliche Zusagen seitens der Politik und die Bekennung zur Kooperationsvereinbarung Landwirtschaft und Naturschutz. Wir brauchen wieder mehr klaren Fokus der zuständigen Stellen auf die Landwirtschaft und die ländlichen Räume – das ist für die Zukunftsfähigkeit der hessischen Landwirtschaft unabdingbar. Deshalb haben wir uns auch schon früh mit unseren Erwartungen zur Landtagswahl 2023 in einem Forderungskatalog positioniert, um die dringend notwendige Stärkung der Landwirtschaft im Kabinett voranzutreiben.

Perspektiven für Junglandwirtinnen und Junglandwirte

Der Ausbildungsberuf zur Landwirtin bzw. zum Landwirt erfreut sich seit Jahren ungebrochen einer hohen Beliebtheit. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass unser landwirtschaftlicher Nachwuchs bestmöglich ausgebildet wird. Mitentscheidend für ein hohes Ausbildungsniveau unserer jungen Landwirtinnen und Landwirte ist qualifiziertes Lehrpersonal an landwirtschaftlichen Berufsschulen. Damit unsere motivierten jungen Auszubildenden eine Zukunftsperspektive haben, setze ich mich mit dem gesamten Team des Bauernverbandes weiter mit aller Kraft für unsere heimische Landwirtschaft ein.

Allen Bäuerinnen und Bauern sowie allen Kolleginnen und Kollegen im Ehren- und Hauptamt danke ich ganz herzlich für ihre Unterstützung.

Ihnen und Ihren Familien wünsche ich ein besinnliches und gesegnetes Weihnachtsfest. Für das neue Jahr 2023 wünsche ich Ihnen ganz viel Glück, Erfolg und vor allem Gesundheit!

 

Ihr Karsten Schmal

Karsten Schmal

Karsten Schmal

Präsident Hessischer Bauernverband

In Sachsenhausen, ganz in der Nähe des Edersees, bewirtschaftet Karsten Schmal einen Futterbaubetrieb mit 200 Milchkühen und 230 Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Nach seiner Ausbildung zum Landwirt und Agrartechniker studierte er an der Fachhochschule Südwestfalen in Soest Landwirtschaft. Bis 2020 war er langjähriger Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Waldeck. Schon vor Antritt des KBV-Vorsitzes war er kommunalpolitisch aktiv. Er ist weiterhin tätig in Molkereigremien sowie in der Jagdgenossenschaft und bei den Waldinteressenten. Karsten Schmal ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. 2014 wurde er zum Vizepräsidenten und am 4. Dezember 2015 zum Präsidenten des Hessischen Bauernverbandes gewählt. Außerdem ist er seit 2018 Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und Vorsitzender des DBV-Fachausschusses Milch.